Die deutsche Medienlandschaft befindet sich in einem leisen, aber tiefgreifenden Wandel: Immer mehr Sender, Streamingdienste und Produktionsfirmen integrieren Künstliche Intelligenz in ihre redaktionellen und kreativen Prozesse. Während der KI-Einsatz in Bereichen wie Empfehlungssystemen, Transkriptionen oder Trailererstellung längst zum Branchenstandard geworden ist, zeichnen sich nun erste mutige Schritte ab, die weit über technische Hilfsmittel hinausgehen. Allen voran: RTL Deutschland.
Mit einer konzernweiten Offensive will RTL KI nicht nur testen, sondern gezielt für messbare Effekte im Tagesgeschäft einsetzen – und das besonders dort, wo man es am wenigsten erwartet hätte: im Reality-TV. In Formaten wie „Kampf der Realitystars“ soll Künstliche Intelligenz künftig kreative Prozesse mitgestalten – vom Casting der Kandidaten über die Entwicklung von Show-Konzepten bis hin zur Gestaltung der Challenges. In der Praxis bedeutet das: Algorithmen analysieren Zielgruppeninteressen, schlagen Persönlichkeiten für das perfekte Ensemble vor und liefern Ideen für dramaturgische Zuspitzungen, die das Format auf ein neues Spannungsniveau heben könnten.
RTL-CEO Stephan Schmitter betont dabei, dass es nicht darum gehe, menschliche Kreativität zu ersetzen, sondern sie durch KI zu inspirieren und zu beschleunigen. Dafür wird eigens eine unternehmensinterne KI-Academy aufgebaut, in der Mitarbeitende lernen, wie sie KI-Tools produktiv einsetzen können. Gleichzeitig entstehen Partnerschaften mit internationalen Technologieanbietern und Universitäten, um die Innovationsgeschwindigkeit hochzuhalten. KI soll kein Nebenschauplatz bleiben, sondern ein zentrales Element der Content-Strategie werden – von der internen Kommunikation über redaktionelle Workflows bis hin zum Jugendschutz.
Während RTL damit strategisch vorangeht, experimentieren auch andere Anbieter mit KI – allerdings mit durchwachsenen Ergebnissen. MagentaTV etwa hat Anfang 2025 eine Serie mit vollständig KI-generierter deutscher Synchronisation veröffentlicht. Das Experiment geriet schnell unter Kritik: Die Stimmen wirkten leblos, der Sprechfluss unnatürlich. Nach nur zwei Tagen wurde die Serie wieder vom deutschen Markt genommen. Trotz des Rückschlags nutzt MagentaTV weiterhin KI, etwa in Form von Kurzfilm-Elementen in Eigenproduktionen wie „Dark Minds“, in denen KI-generierte Inhalte gezielt eingesetzt werden, um klassische Storyformate zu ergänzen.
Auch im Streaming-Sektor bleibt KI ein zentrales Thema: Ob bei der Erstellung automatisierter Zusammenfassungen, dynamischer Vorschau-Clips oder bei der Optimierung von Streamingqualität in Echtzeit – nahezu alle Anbieter setzen auf KI, um die Nutzerbindung zu verbessern. Doch während diese Anwendungen oft im Hintergrund laufen, tritt RTL mit seiner KI-Strategie bewusst in die Öffentlichkeit – und verändert damit die Wahrnehmung von KI im deutschen Medienmarkt.
Der Einsatz von KI in der Medienbranche steht damit an einem Wendepunkt: Weg von reiner Effizienz, hin zu kreativer Mitgestaltung. RTL wagt dabei den Vorstoß ins populärste Genre des Fernsehens – Reality-TV – und macht deutlich, dass KI nicht nur ein Zukunftsthema für Tech-Konferenzen ist, sondern ein Werkzeug für unterhaltsame, marktfähige Inhalte im Hier und Jetzt. Deutschlands Medienlandschaft wird digital neu vermessen – und die KI ist dabei, ihren festen Platz im Programmplan zu bekommen.