Andere Stimmen sind weniger pessimistisch. Aber auch sie sehen signifikante Covid-19-getriebene Veränderungen der Weltordnung und das Risiko. In einem Artikel von Mitte April 2020 bringt Fast Company einen Beitrag mit dem Titel: „Der Coronavirus-Schmetterlingseffekt: Sechs Vorhersagen für eine neue Weltordnung  – Die Welt könnte bald das „Peak-Virus“ erreichen. Aber eine echte Erholung wird Jahre dauern – und die Welleneffekte werden seismisch sein. Parag Khanna und Karan Khemka prognostizieren die Nachbeben.“ Parag Khanna ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von FutureMap und Autor zahlreicher Bücher, darunter „Connectography“ und „The Future Are Asian“. Karan Khemka ist Investor und Direktor in Bildungsunternehmen weltweit. Zuvor gründete er die Asienaktivitäten der Strategischen Beratung The Parthenon Group (heute EY-Parthenon). Sie schlussfolgern: „Je weiter wir in die Zukunft blicken, desto mehr können wir uns vorstellen, wie die globale Gesellschaft durch die Coronavirus-Pandemie neu erfunden werden könnte. Der Schwarze Tod des 14. Jahrhunderts verursachte Millionen von Todesfällen in ganz Eurasien, zersplitterte das größte jemals bekannte territoriale Reich (die Mongolen), erzwang ein signifikantes Lohnwachstum in Europa und förderte eine breitere maritime Erforschung, die zum europäischen Kolonialismus führte. Diese Phänomene werden stark auf die Pest zurückgeführt, auch wenn sie sich über Jahrhunderte abspielten. Die Folgen der heutigen Pandemie werden viel schneller auftreten, und durch Voraussicht können wir versuchen, die Folgen zu mildern, und dabei ein widerstandsfähigeres globales System aufzubauen.“
Die Geschwindigkeit, mit der sich die Dinge höchstwahrscheinlich entwickeln werden, ist eine Sache. Aber auch der Fortschritt von Wissenschaft und Technologie, die es ermöglichen, die Pandemie viel schneller unter Kontrolle zu bringen und die Auswirkungen abzumildern, müssen bedacht werden. Bislang scheint die Wirtschaft mit den Auswirkungen der Pandemie viel besser umgehen zu können, als zu Beginn befürchtet wurde. Alles hat sich beschleunigt, auch die Geschwindigkeit mit der Wellen und Mutanten sich ausbreiten. Das hat natürlich damit zu tun, wie der Planet inzwischen zusammengewachsen ist, dem ausgeuferten Tourismus und dem Austausch von Waren. Die sechs Szenarien, die die beiden Autoren aus dieser Situation ableiteten, sind einen Blick wert, auch wenn sie teilweise schon, zumindest für den Moment, widerlegt scheinen:
1: Der lange Notfall – dies wäre das offensichtlichste „Tail-Risk-Szenario“. Die Viruswelt verwüstet weiterhin Gesellschaften und die Suche nach einem Impfstoff erweist sich als schwer fassbar und erstreckt sich über die derzeit prognostizierten 12-18 Monate hinaus. Wir sollten daher vorsichtig sein, wenn es um Prognosen geht, die darauf hindeuten, dass wir nur vor einer U- oder V-förmigen Rezession stehen.“
2: Das „Suez-Szenario“ – „Ein völliger Staatszusammenbruch ist kein unplausibles Szenario für Petro-Staaten von Ecuador bis zum Iran.“
3: Eine weitere Migrantenkrise – „Globale wirtschaftliche Fragmentierung und verminderte internationale Lebensadern sorgen dafür, dass die Menschen weiterhin aus zerfallenden Staaten fliehen.“
4: Zunehmender Nationalismus – „Bevor viele Länder jedoch über einen Start der Migration nachdenken, werden sie wahrscheinlich zuerst eine ernsthafte Ãœberprüfung ihrer Nahrungsmittel und medizinischen Versorgung vornehmen und sich vielleicht an der Art von Bevorratung oder „Lebensmittelnationalismus“ beteiligen, die Russland bei der Begrenzung der Getreideexporte und Vietnam bei der Beschränkung der Reisexporte getan hat.“
5: Technologie versus Kostenkurve – „Größere Investitionen in Biotechnologie und Gesundheitswesen sind offensichtliche Ausgangspunkte – aber nicht in ihrer derzeitigen Form. … In ähnlicher Weise wird die private Bildung angesichts ihrer starken Leistung während der Krise wesentlich mehr Investitionen erhalten, aber mit einem Fokus auf die Digitalisierung.“
6: Zivilisatorische Bedrohungen – „Evolution, sowohl biologisch als auch zivilisatorisch, ist ein viel planloserer und unbestimmter Prozess. In Zukunft müssen die Führungskräfte des öffentlichen und privaten Sektors eine weitaus größere Vermittlung bei der Festlegung langfristiger Prioritäten wie der Bekämpfung des Klimawandels und der Kommunikation der kurzfristigen Opfer akzeptieren, die erforderlich sind, um diese Ziele zu erreichen.“
Nun, einige der Szenarien zeichnen sich bereits, wenn häufig nur punktuell ab. Andere haben sich zumindest bislang noch nicht bewahrheitet. Es kann aber auch zu verzögerten Reaktionen kommen. Von daher sollten wir das weiter mit Vorsicht beobachten.  Es kann zum Beispiel in Frage gestellt werden inwieweit Privatschulen profitieren. Sie haben in der Krise besser abgeschnitten als öffentliche Schulen, ja, aber das bedeutet nicht, dass öffentliche Schulen nicht von der Konkurrenz lernen werden.
Es erscheint ziemlich einfach, Covid-19-Einflussszenarien auf die aktuelle Weltordnung zu erkennen. Viel schwerer ist es aber Szenarien zu entwickeln, wie eine neue Weltordnung aussehen könnte. Vielleicht liegt das daran, dass niemand als „naiv“ oder als Utopist angesehen werden will. Beides kann leicht passieren, wenn man sich auf diesem Terrain bewegt. Negative Szenarien einer „Neuen Weltordnung“ können sehr wohl im schlimmsten Fall den weiter oben skizzierten Covid-19-Szenarien ähneln.
Covid-19 ist jedoch nur eine Episode, unabhängig von seinen immensen kurz- und langfristigen Auswirkungen. Auch andere Rahmenbedingungen, die als Megatrends definiert werden können, werden eine neue Weltordnung bestimmen. Die Verschiebung des globalen Gleichgewichts in Richtung Asien ist sicherlich ein sehr großer Faktor. China habe eine „Wolfsdiplomatie“ eingeführt, sagt Junhua Zang, Senior Associate am European Institute of Asian Studies in einem Kommentar für den Geopolitical Intelligence Service, GLS.
China will die globale Rolle, die es glaubt, bald nicht nur im wirtschaftlichen, sondern auch im geopolitischen Bereich zu erfüllen, weiter vorantreiben. Der Weg, den sie wählten, zerstöre aber das globale Vertrauen. Westliche Mächte hätten hingegen die Option, mit anderen aufstrebenden Märkten in Asien zusammenzuarbeiten; Schlussfolgert der Analyst. Ich werde nicht darüber streiten, ob er Recht oder Unrecht hat. Was es veranschaulicht, ist der Einfluss Asiens auf die Etablierung eines neuen globalen Ordnungssystems. Es ist nicht China allein. Auch die anderen asiatischen Tigerstaaten reifen heran und werden ihren Anteil am Spiel einfordern. Dies wird die Geopolitik in den nächsten Jahrzehnten bestimmen und die Weltordnung verändern. Schon heute ist es offensichtlich, dass China durch Covid-19 gestärkt wurde, da es die negativen Auswirkungen der Pandemie am schnellsten kompensieren konnte und diese Position nutzte, um seinen Einfluss auszuweiten.