Eine neue Studie des renommierten MIT Media Lab hat in den letzten Tagen für erhebliche Aufregung gesorgt. In vielen Medien ist von einem „Schock-Ergebnis“ die Rede: Die Nutzung von ChatGPT beim Schreiben soll das Gehirn träge machen, die Gedächtnisleistung schwächen und kreatives Denken hemmen. Schnell war von einer Gefahr für die geistige Fitness die Rede, von einer „Verblödung durch KI“. Doch schaut man genauer hin, wird klar: Die Studie ist spannend – aber keineswegs ein Beweis dafür, dass ChatGPT grundsätzlich schädlich für unser Gehirn ist.
Die Forscher des MIT untersuchten, wie sich der Einsatz von ChatGPT beim Verfassen von Essays auf die Gehirnaktivität auswirkt. Die Versuchsteilnehmer wurden dabei per EEG überwacht. Das Ergebnis: Wer die KI nutzte, zeigte in bestimmten Bereichen des Gehirns – vor allem in Arealen, die für kreatives Denken und komplexe Problemlösung zuständig sind – eine geringere Aktivität als jene, die ihre Texte eigenständig schrieben. Zudem konnten sich viele ChatGPT-Nutzer später kaum noch an den Inhalt ihrer eigenen Texte erinnern. Das klingt dramatisch. Doch was steckt wirklich dahinter?
Zunächst einmal: Die Studie basiert auf einem sehr spezifischen Szenario. Die Teilnehmer – 54 junge Erwachsene aus dem Raum Boston – mussten unter Zeitdruck kurze Texte verfassen. Ob diese Ergebnisse auch auf andere Formen der KI-Nutzung übertragbar sind, etwa beim Programmieren, Recherchieren oder in der Freizeitkommunikation, bleibt völlig offen. Ebenso ist unklar, ob Menschen mit mehr Erfahrung im Umgang mit KI die gleichen Effekte zeigen würden.
Hinzu kommt: Niedrigere Gehirnaktivität bedeutet nicht zwangsläufig etwas Negatives. Sie kann auch ein Zeichen von Effizienz sein – etwa, weil Routineaufgaben durch die Unterstützung der KI weniger kognitive Anstrengung erfordern. Das macht uns nicht dümmer, sondern könnte im besten Fall Ressourcen für andere Denkvorgänge freisetzen. Die Forscher selbst mahnen daher zur Vorsicht bei der Interpretation. Sie sehen die Gefahr nicht darin, dass KI per se schadet, sondern dass eine unreflektierte, dauerhafte Auslagerung von Denkprozessen langfristig die eigenen kognitiven Fähigkeiten schwächen könnte.
Wichtig ist deshalb die Art und Weise, wie wir ChatGPT und ähnliche Werkzeuge nutzen. Wer sie als Stütze verwendet, um Ideen zu entwickeln, Gedanken zu strukturieren oder Texte zu verbessern, kann davon profitieren. Wer sich jedoch blind auf die KI verlässt und kaum noch selbst denkt, riskiert tatsächlich, dass wichtige geistige Fähigkeiten verkümmern. Das ist im Übrigen kein neues Phänomen: Schon Taschenrechner, Navigationssysteme oder Rechtschreibkorrekturen haben ähnliche Debatten ausgelöst.
Nicht zu vergessen: Die Studie ist bislang nur ein Preprint – sie wurde also noch nicht von unabhängigen Experten im Peer-Review-Verfahren überprüft. Sie liefert interessante erste Anhaltspunkte, aber keine endgültigen Antworten. Langzeitfolgen der KI-Nutzung auf unser Gehirn sind bislang wissenschaftlich kaum erforscht. Hier steht die Forschung noch ganz am Anfang.
Die aktuellen Schlagzeilen über die „gefährliche KI“ greifen daher zu kurz. Sie übersehen, dass es letztlich auf den bewussten, reflektierten Umgang ankommt. ChatGPT ist kein Risiko für das Gehirn – es sei denn, wir machen es dazu, indem wir das eigene Denken komplett abgeben. Die Studie aus dem MIT ist ein wichtiger Denkanstoß, keine Warnung vor der Technologie an sich. Sie erinnert uns daran, dass es nicht die KI ist, die unser Denken formt – sondern wir selbst.