Was heute noch ein Assistent ist, könnte morgen das neue Google sein – zumindest wenn es nach OpenAI geht. Mit dem schrittweisen Ausbau von ChatGPT zur interaktiven Commerce- und Werbeplattform bereitet das Unternehmen den Boden für eine neue Form digitaler Monetarisierung. Dabei sollen Anzeigen nicht länger wie Banner wirken, sondern wie ein nahtloser Teil des Gesprächs.
Schon jetzt werden erste Tests gefahren: Bei passenden Nutzeranfragen schlägt ChatGPT Produkte, Services oder Buchungsoptionen vor – eingebettet, markiert, aber kaum störend. Möglich macht das das sogenannte Agentic Commerce Protocol. Es erlaubt Usern, etwa eine Reise, ein Software-Abo oder ein Produkt direkt im Chat zu kaufen – ohne die Plattform zu verlassen. Bezahlt wird über integrierte Partner wie PayPal, Shopify oder Stripe, OpenAI kassiert über Transaktionsgebühren.
Was auffällt: Der klassische Werbeplatz, das digitale Plakat im Suchergebnis, ist passé. Stattdessen sprechen Experten von kontextuellen Empfehlungen, gesponserten Antworten oder eingebetteten Marken-Agents – etwa ein „Target“-Einkaufshelfer oder ein Salesforce-CRM-Agent, der mitten in der Unterhaltung erscheint.
Offiziell gibt es noch kein Self-Service-Tool für Werbetreibende, doch Agenturen positionieren sich längst. Die Branche wittert ein Milliardenpotenzial. Laut Marktbeobachtern könnte OpenAI bis Ende des Jahrzehnts Werbeeinnahmen im zweistelligen Milliardenbereich erzielen – mit ChatGPT als zentralem Touchpoint für Konsum, Recherche und Kauf.
Sam Altman, CEO von OpenAI, hat sich dabei klar gegen klassische Pay-to-Rank-Modelle ausgesprochen. Das Vertrauen der Nutzer solle nicht untergraben werden. Werbung, so die Vision, müsse nützlich sein – nicht aufdringlich. Die „beste Antwort zuerst“ bleibt das Grundprinzip. Monetarisiert wird danach – möglichst transparent.
Für Marketer bringt das neue Chancen – und neue Regeln. Während klassische Suchanzeigen auf Keywords basieren, entstehen in ChatGPT neue Entscheidungsstrukturen: Was empfohlen wird, liegt in den Händen des Modells. Relevanz zählt, nicht nur Budget. Und wer erscheinen will, braucht mehr als nur Sichtbarkeit – er muss kontextuell passen.
Kritik kommt von Datenschützern und Plattformbeobachtern: Wie neutral sind Empfehlungen wirklich? Wie unabhängig bleibt ChatGPT, wenn Marken eigene Agenten einbauen? Und wie wird gekennzeichnet, was Werbung ist?
Klar ist: Werbung in ChatGPT ist kein Add-on, sondern Teil eines fundamentalen Wandels. Weg vom Suchergebnis, hin zum Dialog. Weg vom Klick, hin zur Entscheidung im Gespräch. Noch ist das Modell in Entwicklung – aber die Richtung ist klar: ChatGPT wird nicht nur antworten. Es wird verkaufen.

